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Venedig im Schnee: So war die Premiere in der Volksbühne Michendorf

    Venedig im Schnee: So war die Premiere in der Volksbühne Michendorf

    Passend zum Winterwetter: Die Volksbühne Michendorf zeigt das Stück „Venedig im Schnee“ und beleuchtet ein gesellschaftspolitisch heikles Thema. So war die Premiere im Theaterhaus in der Potsdamer Straße.

    Passend zur Komödie „Venedig im Schnee“ von Gilles Dyrek brachte der vergangene Theaterabend den Besuchern der Volksbühne Michendorf als Begleitung auf dem Heimweg sogar die ersten echten Schneegestöber. Vielleicht war das nasse, kalte Wetter ja auch die Erklärung dafür, dass diesmal so viele Premierenplätze frei blieben.

    Das andere Rätsel, warum ein Stück, welches in Sichtweite des Eiffelturms spielt, vom 1966 in Paris geborenen Erfolgsautoren mit „Venedig im Schnee“ betitelt wurde, löste sich allerdings erst spät auf. Klar ist, dass Dyreks Stück insofern nicht einfach zu inszenieren ist, als es stellenweise auch als Tragödie gelesen werden kann und ein gesellschaftspolitisch heikles Thema beleuchtet.

    Theaterstück behandelt weit verbreitete Unsitte

    Es behandelt die in Westeuropa weit verbreitete Unsitte, Wohlstandsschuldgefühle gegenüber ärmeren Regionen und Personen durch einen regelrechten Spendenfetischismus abzubauen. Regisseur Thomas Linz entschied sich augenscheinlich dafür, das Stück weitgehend komödiantisch überdreht und laut anzugehen. Dabei meidet er längere Passagen leiser Zwischentöne.

    Ort der Handlung ist eine halb fertig renovierte Pariser Altbauwohnung (Bühne Martin Riedl), die Nathalie (Katharina Försch) und Jean-Luc (Tobias Grabowski) im Vorfeld ihrer geplanten Traumhochzeit zu einem Liebesnest ausbauen wollen. Hier erwarten die beiden Jean-Lucs alten Studienfreund, Christoph (Chris M. Nachtigall) und dessen Bekannte Patricia (Susanne Menner). Während der Anreise streitet sich das Gästepaar so heftig, dass die schwer beleidigte Patricia zu schweigen beginnt. Das ununterbrochen quasselnde Gastgeberpärchen hält deshalb die wortkarge Patricia schnell für eine Ausländerin, worauf die vermeintlich Nicht-französisch-Sprechende beschließt, die ihr zugewiesene Rolle anzunehmen.

    Sie erfindet einen fiktiven Balkanstaat

    Anfangs noch radebrechend englisch redend, erfindet sie als ihr Herkunftsland den vom Krieg gebeutelten, fiktiven Balkanstaat „Chouvenien“ und beginnt dann sogar „chouvenisch“ zu reden. Das zarte Pflänzchen Helfersyndrom beginnt zu sprießen, als die Gastgeber der „armen“ Fremden eine nicht mehr benötigte Wolldecke schenken. Damit setzen sie ein regelrechtes Spendenkarussell in Gang. Nur widerwillig spielt Christoph diese Charade Patricias mit und beichtet schließlich das falsche Spiel. Aber da ist es bereits zu spät. Man glaubt ihm nicht, weil Patricia zu großer balkanischer Form aufläuft und bei ihrer Opferrolle bleibt.

    Selbst als Christoph den französischen Ausweis Patricias zeigt, hält man den für eine der üblichen Fälschungen. Zum Kulminationspunkt dieser Helferorgie wird dann eine kleine gläserne Halbkugel, mit der sich Schneegestöber vor einer Venedig-Kulisse herbeischütteln lassen. So steuert das Drama unweigerlich auf die finale Katastrophe zu.

    Dabei stört in dieser bitterbösen Komödie das meist übertrieben hektische und zapplige Spiel Grabowskis eher, als dass es den Humor befördert. Wie nuancenreich und dabei phondosiert sich Komik erzeugen lässt, zeigte Menner als feuriges chouvenisches Urgestein. Chouvenisch tanzend begeisterte sie das Publikum.

    Von Lothar Krone