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Landeier Kritik

    Slapstick und Stringtanga-Striptease: So war die Landeier-Premiere in Michendorf

    Slapstick, Stringtanga-Striptease und ein volles Haus: Die Volksbühne Michendorf präsentiert das neue Stück „Landeier – Bauern suchen Frauen“. So war die Premiere im Theaterhaus in der Potsdamer Straße.

    Der Spielplan der Volksbühne Michendorf ist häufig eine Wundertüte mit integriertem Geigerzähler für feinste seismische Schwingungen in der märkischen Volkstheaterseele. Was hier gespielt wird, findet regelmäßig sein Publikum, weil die oberste Maxime ein garantierter Unterhaltungswert ist. Das heißt aber nicht, dass Hintersinn, Herzschmerz und sogar dosierter Ernst ausgeschlossen wären. Im Fall von Frederik Holtkamps Komödie „Landeier“ legte allerdings schon der Untertitel „Bauern suchen Frauen“ den Verdacht nahe, dass diesmal das zu erwartende dramaturgische Fahrwasser seicht werden könne.

    Wer vor dem Einlass seinen Blick durch das Theaterfoyer schweifen ließ, dem konnte nicht entgehen, dass die erhoffte „Bauer sucht Frau-Suche“ schon vor der Vorhangöffnung gerade bei reiferen Semestern frische Lebensgeister und Erwartungsfreude weckte. Regisseur Steffen Löser steigerte den Michendorfer Wohlfühlfaktor noch, indem er die Handlung ins fiktive Dörflein Drögenow nahe dem Seddiner See verortete. Genauer gesagt ist es die hier befindliche durch märkische Tristesse bestechende Dorfkneipe (Bühne Martin Riedl).

    Drei Bauern sind Stammkunden in der Kneipe

    Dort verdrängt Heinz Matic (Hartmut Kühn), den die Kumpel nur Hein nennen, zielsicher und ausdauernd mit klaren hochprozentigen Spirituosen Luft aus den Schnapsgläsern. Heinz ist seit zehn Jahren Witwer und seine besten Stammkunden sind drei Bauern mit dem gemeinsamen Beziehungsstatus „ledig“. Einer von ihnen, Jan Jensen (Erik Baumann), kapriziert deshalb sein Gefühlsleben ersatzweise auf eine Herde Schafe, sein Kumpel Jens Jansen (Moritz Kurtz) hat sein Herz an eine Rotte gemästeter Hausschweine verloren und der dritte, Richard Bauer (Milos Kostic), konzentriert einen Großteil seiner emotionalen Zuwendung auf den seit Generationen vererbten Bauernhof.

    Alle Bemühungen des Trios, mit diversen Kontaktanzeigen, Partnerbörsen und dem Besuch von Ü-30 Partys aus ihren Junggesellenkäfigen auszubrechen, scheitern kläglich, bis ihnen die rettende Idee einer Erlösung durchs Internet kommt. Sie beschließen, selbst gedrehte kurze Dating-Videos von sich ins Netz zu stellen. Die holprig gestammelten filmischen Selbstbilder der Dörfler finden allerdings zu ihrer Enttäuschung vor allem ein schwules Publikum.

    Zwei Frauen übernehmen das Kommando

    Das Blatt wendet sich erst, als der Zufall in Gestalt zweier agiler Frauen den Weg in die Dorfkneipe findet. Die resolute Postbotin Getrud Schulze (Susanne Menner) und die mit Innenarchitekturambitionen gesegnete Tischlerin Lavinia Voigt (Katharina Försch) übernehmen bald das Kommando auf dem beinahe schon havarierten Beziehungsanbahnungsdampfer. Sie kapern Regie und Kamera für neuen Dating-Videos sowie einen Internetauftritt als backende und bügelnde Boygroup. Dazu steuern sie geradewegs in erotisches Fahrwasser und somit nicht ganz uneigennützig einem gemeinsamen Happyend zu.

    Alle Darsteller mühten sich redlich, mit Tempo, Verve sowie körperlichem Einsatz fehlenden Handlungstiefgang zu kompensieren. Letzte Zweifel und Hemmungen räumten die drei Buben als ekstatisch wirbelnde Bauernstripper aus und verwandelten den vor Begeisterung bebenden Theatersaal in einen Jungbrunnen, der an das gleichnamige Gemälde von Lucas Cranach den Älteren erinnerte.

    von Lothar Krone