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I do I do Kritik

    50 Jahre Zärtlichkeit und Zorn: Musical-Premiere in der Volksbühne Michendorf

    Ein riesiges Doppelbett, zwei Darsteller und gute Musik sind die Zutaten für einen unterhaltsamen Theaterabend: So war die Premiere des Musicals „I do! I do! – Das musikalische Himmelbett“ in der Bühnenfassung der Volksbühne Michendorf.

    Ein riesiges Doppelbett beherrscht die Bühne. Es bleibt dort stehen – vom Anfang bis zum Ende. Der Verzicht auf Umbauten ist nicht dem beschränkten Etat der Volksbühne Michendorf zuzuschreiben. „I do! I do! – Das musikalische Himmelbett“ war von vornherein als kostengünstige Musical-Produktion konzipiert worden, und damit gut geeignet, um auch auf kleinen Bühnen gespielt zu werden. Uraufgeführt wurde das Stück über die Ehe von Agnes und Michael aber am Broadway, Ende 1966. Die Musik schrieb Harvey Schmidt, den Text Tom Jones (aber nicht der gleichnamige walisische Popsänger). In Amerika wurde das Werk zum Musicalklassiker.

    Wie beim Bühnenbild gilt auch beim Personal das Sparsamkeitsprinzip: Es handelt sich um ein Stück für zwei Personen. In Michendorf sind das Olivia-Patrizia Kunze und Tobias Rechtien. Dazu kommt die Pianistin Annette Wizisla, die quasi eine Band ersetzen muss, was bemerkenswert gut gelingt.

    Die beiden Darsteller sind echte Musical-Profis

    Die Darsteller sind keine Schauspieler, die auch singen können – Theaterdirektor und Regisseur Steffen Löser kann, zum wiederholten Mal, mit echten Musical-Profis arbeiten.

    In Soli, Duetten und schlagfertigen Dialogen sind in fast zweieinhalb Stunden – einschließlich Pause – 50 Jahre Ehe zu erleben, eine unterhaltsame Abfolge von Zärtlichkeit und Zorn. Das geht schon in der Hochzeitsnacht los: Michael ruiniert die Glücksmomente seiner Agnes, indem er sie darauf aufmerksam macht, dass ihre Jugend nun vorbei sei. Später belasten solche Sachen wie nächtliches Schmatzen und Schnarchen das Eheleben, dann Differenzen bei der Erziehung der beiden Kinder und eine Affäre Michaels mit einer Jüngeren.

    Verliebt in einen jungen Dichter

    Der zunehmend erfolgreiche Romanautor meint, ein Mann werde attraktiver, wenn er älter wird. Agnes Kommentar dazu – nach einer winzigen Kunstpause: „Du Arsch!“ – Szenenapplaus! Im weiteren Verlauf wiederum offenbart die Künstlergattin ihre Verliebtheit in einen jungen Dichter. Aber auch das bringt die Ehe nicht zum endgültigen Scheitern. Ebenso wenig die Tatsache, dass sie von seinen mühsam erschriebenen Tantiemen ausgiebig shoppen geht.

    Agnes und Michael werden also zusammen alt. Ihre Rücken sind krumm geworden, das Gehen fällt schwer, das Hinsetzen aber auch. Die beiden geben ihr Haus auf. Sie werden in ein kleines Appartement ziehen. Aber das Bett bleibt da, wo es immer war. Für das nächste Brautpaar. Man ahnt: So oder so ähnlich, alles wird von vorn beginnen. Liebe sei nicht einfach, singen Agnes und Michael im letzten Lied.

    Olivia-Patrizia Kunze und Tobias Rechtien gestalten das alt gewordene Paar genauso stimmlich und darstellerisch überzeugend wie das junge. Sie empfehlen sich, öfter auch von größeren Bühnen engagiert zu werden. Und die Blumensträuße beim Michendorfer Schlussapplaus hätten auch etwas größer ausfallen können.

    Stephan Laude