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Volksbühne in Michendorf bringt „Die 39 Stufen“ von Alfred Hitchcock auf die Bühne

    Vier Schauspieler, 100 Rollen. Mit viel Jux und Schnelligkeit zeigt die Volksbühne Michendorf gerade Alfred Hitchcocks „Die 39 Stufen“. So lautet das Urteil unseres Autoren.

    Der 1935 unter der Regie von Alfred Hitchcock abgedrehte englische Spionagethriller „Die 39 Stufen“ nach dem Roman von John Buchan ist ein Filmklassiker. Dass ausgerechnet dieser Film am vergangenen Freitag in der Volksbühne Michendorf zum Steinbruch für an skurrile Monty-Python-Komik erinnernde Gags werden würde, kam nicht von ungefähr.

    Was genau aber mochte den Regisseur Steffen Löser und seinen Bühnenbildner Martin Riedl verlockt haben, sich dieser an und für sich schon unübersichtlichen Handlung samt seiner in schneller Folge wechselnden Szenerien sowie der Unmenge von Darstellern anzunehmen?

    Es kann nur derselbe Reiz der praktischen Undurchführbarkeit eines solchen Unternehmens gewesen sein, der Patrick Barlow 2005 antrieb, als er im Heiterkeitsrausch eine Bühnenfassung für die mehr als 100 Rollen schrieb, die von nur vier Darstellern gespielt werden sollten. Wie von Barlow gedacht, so wagemutig von Löser getan, liest sich dann auch die Michendorfer Besetzungsliste.

    Schauspielerin Michaela Wrona spielt die männliche Hauptrolle, den Kanadier Richard Hannay, und ihre Kollegin Mica Bara die weiblichen Protagonistinnen Pamela, Annabelle und Margaret. Die verbliebenden unzähligen männlichen, weiblichen und sogar unbelebten Rollen teilen sich redlich Hannes Lindenblatt und Moritz Kurtz.

    Die Story des filmischen Spionage-Thrillers verständlich erzählen zu wollen, ist bereits eine extrem undankbare Aufgabe, aber Barlows verjuxten Bühnen-Hitchcock auch nur annähernd zu beschreiben, kann nur misslingen.

    Deshalb sei hier nur angedeutet, dass ein Kanadier im besten fortpflanzungsfähigen Alter bei einem London-Aufenthalt unabsichtlich in die Machenschaften eines deutschen Spionageringes, eben jenen „39 Stufen“, gerät. Keiner glaubt ihm, alle jagen den Ärmsten und die oft lebensbedrohlichen Szenarien werden zum Ausgleich dadurch versüßt, dass Hannay immer wieder aufs Neue von ausnehmend schönen Frauen missverstanden wird.

    Hemmungslose Ulks bei Hitchcock in Volksbühne Michendorf

    Diese realitätsfremde Handlung nimmt dem Hitchcock-Thriller auf der Bühne in Michendorf zwar Spannung, aber es bietet zum Ausgleich unendlich viele Ansätze für hemmungslose Ulks und Gags im Minutentakt. Schnell zeigt sich bei der Vorstellung, warum gerade die Einschränkungen einer kleinen Bühne und eines im Rollenregen stehenden Darstellerquartetts sich in einen beständigen Quell der Komik wandeln.

    Einer dieser Katalysatoren ist das Bühnenbild, bei dem eine einzige funktionale Tür beständig von ihren Benutzern an den nächsten Standort geschleppt wurde. Noch flexibler waren die Fenster, die nur aus Holzrahmen bestanden und die sich die Darsteller vors Gesicht hielten oder bei ihrer Flucht einfach überstreiften.

    In Michendorf hat jede der 100 Rollen eigenen Charakter

    Zu einer turnerischen Leistung gerieten die Tempi der Rollen- und Kostümwechsel. Mitunter wanderten Hüte, Helme oder Perücken in solcher Schnelle, dass sie mit dem bloßen Auge kaum noch verfolgt werden konnten. Beachtlich war auch, wie es den vier Darstellern beständig gelang, ihren jeweiligen Rollen bei allem Jux unterscheidbare Charaktere zu verpassen. Dass auch diese Premiere der Volksbühne mit „Bravorufen“ und „Füßetrampeln“ enden würde, war deshalb ziemlich vorhersehbar.

    von LOTHAR KRONE