Fast hat man sich ja daran gewöhnt, dass in den Theatern ein Großteil der Plätze wegen Corona unbesetzt bleiben muss. Zur Premiere von Lionel Goldsteins Komödie „Halpern & Johnson“ am Freitagabend in der Michendorfer Volksbühne wurde im Gegenzug die Maskenpflicht von den meisten Gästen recht locker praktiziert. Das hob sichtbar die Stimmung und steigerte zudem den Umsatz am mit Plexiglas verkleideten Tresen im Foyer.
Im Saal empfing die Besucher eine bereits einsehbare Bühne mit einer schneeweißen Parkbank unweit eines frischen Grabhügels und einer tarnnetzartigen Laubwand als hintere Begrenzung (Bühne Martin Riedl). Diese karge Kulisse war in den folgenden anderthalb Stunden der Ort, an dem Regisseur Steffen Löser seine beiden Protagonisten, den Witwer Joseph Halpern (Gert Melzer) und den Ex-Liebhaber von dessen verstorbener Gattin, Dennis Johnson (Thorsten Reimann) in Szene setzte. Goldsteins Stück ist eine Art unfreiwilliger, postumer Ehecheck und der geradezu typische Fall einer aus jeder Menge Selbstgefälligkeit und Ignoranz entstandener männlicher Beziehungsblindheit.
Ausgerechnet am Grab seiner geliebten Flo trifft Joseph auf einen Fremden, mit dem seine Frau mehr als fünfzig Jahre lang erst ein Verhältnis und später eine intensive Freundschaft verband. Völlig ahnungslos und geradezu paralysiert muss er von ihm dann scheibchenweise erfahren, dass seine Gattin Florence neben ihrer scheinbar so harmonischen Ehe ein Doppelleben führte.
In dem sich nun anbahnenden Enthüllungsmarathon muss aber auch der vermeintlich bestens informierte Liebhaber der Frau erschreckende Beziehungsdefizite konstatieren. Es erweist sich, dass den Herren wechselseitig jeweils entscheidende Aspekte des Wesens der Verstorbenen entgangen waren. Die beiden in ihrer Männlichkeit verletzten und schwer gekränkten Kontrahenten wüten und zetern anfangs völlig ungebremst. Am Ende ihrer ersten Aussprache aber scheint ihnen langsam eine Ahnung zu dämmern. Man verabredet sich sogar bei Hochprozentigem und Schnittchen zu weiteren Treffs und so mutiert die Friedhofsbank zur verspäteten paartherapeutischen Reparaturwerkstatt einer einst unfreiwilligen, weil unentdeckten Dreiecksbeziehung.
Melzer gestaltete diesen aus guten Gründen über die Parallelbeziehung uninformierten Gatten temperamentvoll bis jähzornig aber stets sympathisch direkt. Dabei gelang es ihm, trotz aller Tiraden eine vielschichtige Figur zu zeichnen. Sogar Komik vom Feinsten stellte sich ein, als Halpern von unerwarteten Komplimenten seines Nebenbuhlers überrascht, jenes selbstgefällige Lächeln zeigte mit dem einst Louis Defunès sein Publikum begeisterte. Neben diesem ständig extemporierenden Irrwisch Halpern fiel es Reimann deutlich schwerer Akzente zu setzen. Sein Buchprüfer Johnson wirkte neben ihm manchmal etwas altklug und steif.
Obwohl über der Inszenierung oft Wehmut und Melancholie zu schweben schienen, war das Publikum vom Spiel der beiden Männer bestens unterhalten. Am Ende brach sich sogar schiere Begeisterung Bahn, als Jubel und rhythmisches Stampfen dutzender Fuß-paare den Saalboden spürbar vibrieren ließen.
Von Lothar Krone