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Kritik DAS WIRTSHAUS IM SPESSART

    „Das Wirtshaus im Spessart“: So war die Premiere in der Volksbühne Michendorf

    Geschmetterte Gassenhauer, angstfreie Erfinderlust und eine schräge, wirklich überraschende Handlung: So war die Premiere von Hauffs Räuberpistole „Das Wirtshaus im Spessart“ in der Bühnenfassung der Volksbühne Michendorf.

    Der jung verstorbene Romantiker Wilhelm Hauff (1802-1827) ist zwei Jahrhunderte später vor allem durch Dutzende Verfilmungen seiner Märchen in Erinnerung geblieben. Die grandiosen Zelluloidadaptionen von Märchen wie „Der kleine Muck“, „Das kalte Herz“ und eben auch von „Das Wirtshaus im Spessart“ mit der unvergesslich quirligen Liselotte Pulver als Gräfin gehören inzwischen zum cineastischen Kulturgut unseres Landes.

    Überraschende, häufig auch wirre Handlung

    Die Michendorfer Bühnenfassung der Regisseurin Elena Breschkow lehnt sich an Hauffs Märchenerzählung sehr freimütig und flexibel an. Sie sortierte diverse Rollen neu, passte dafür Figuren an, strich andere weg und baute aus den verbliebenen oder hinzugefügten Versatzstücken eine oft sehr schräge wirklich überraschende, aber häufig auch wirre Handlung.

    Angstfreie Erfinderlust

    Breschkows angstfreie Erfinderlust wirkte wohl ansteckend und beförderte auch die Gestaltungslust und Spielfreude anderer am Stück beteiligter Akteure, am sichtbarsten und im Wortsinn augenscheinlichsten die des Bühnenbildners Martin Riedl. Sein Verdienst war es, mit verhältnismäßig geringem technischem Aufwand höchst wandelbare, vor witzigen Einfällen nur so strotzende Kulissen für diese irre knallbuntschrille Räuberpistole kreiert zu haben.

    Geschmetterte Gassenhauer

    Der sich auf einem stets mehrdeutigen Gelände abspielende Handlung gedanklich zu folgen, bereitete mitunter Mühe, weil das ohnehin schwer durchschaubare Geschehen häufig bis ins Groteske, ja Absurde gesteigert wurde. Zudem wurden immer wieder laut und mit viel Inbrunst Gassenhauer von der Güte „Auf du junger Wandersmann, jetzo kommt die Zeit heran“ oder „Ja im Wald da sind die Räuber“ geschmettert.

    Tiefrosafarbenes Happyend

    So hangelte sich das Geschehen um den Goldschmied Felix (Hannes Lindenblatt) und seinem Kumpel (Tobias Graboski), die sich irrläufernd auf dem Weg zu Felix adeliger Patentante befinden, just in jenes gruselige legendäre Wirtshaus im Spessart, in dem auch die fiesen, bösen Räuber und ihr Räuberhauptmann (Tobias Rechtien) lauern.

    Dort verknoten sich dann nicht nur die diversen Handlungsstränge, sondern auch der Herzensweg der gräflichen Zofe (Svenja Otto) mit dem des Goldschmiedejungen Felix. Breschkow scheute sich weder vor Schnulz noch Rührseligkeit, um die Handlung gesanglich und spielerisch in ein perfektes tiefrosafarbenes Happyend poltern zu lassen.

    Räuberhauptmann im schneeweißen Anzug

    Dabei mischte sie angstfrei Zeitebenen und kombinierte nach Belieben die unterschiedlichsten Stereotypen und Rollenklischees. Ihr im schneeweißen Anzug säuselnder Räuberhauptmann war offenkundig ein astreiner Mafiaboss und die mit einer riesigen tiefschwarzen Sonnenbrille drapierte pelzbehangene Gräfin schien sich auf direktem Wege zum Spieltisch in Monte Carlo zu befinden.

    „Alles nur Spaß“

    Als ausgesprochen gelungener Schachzug erwies sich der Einbau eines immer wieder begleitend agierenden singenden Moritatenerzählers (Thomas Linz), der zudem in eine Handvoll weiterer Rollen schlüpfte. Sein augenzwinkernder Schalk kam beim Publikum gut an, denn er bündelte das Wirrwarr und wirkte wie ein fleischgewordenes Transparent, auf dem in fetten Buchstaben zu lesen stand: „Alles nur Spaß“!

    Von Lothar Krone