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Irrwitz ohne Bremsen

    Irrwitz ohne Bremsen: Beim neuen Stück „Taxi, Taxi“ tobte das Publikum in der Volksbühne Michendorf

    Bei der Premiere des neuen Stücks „Taxi, Taxi“ in der Volksbühne Michendorf eskalierte der Irrwitz. Am Ende brachte ein komplett verzücktes Publikum die Bühne zum Beben.

    Ray Cooney, der englische Autor der Farce „Taxi, Taxi“, ist eine Verheißung auf Nonsens. Dies allein aber ist bekanntlich noch keine Garantie für einen unterhaltsamen Theaterabend. Am vergangenen Freitag bei der Premiere von „Taxi, Taxi“ oder „Doppelt leben hält besser“ hatten die Besucher allerdings von Anfang an ein gutes Gefühl, denn schon der Anblick der in eine hellbläuliche und eine gelbe Seite geteilten Bühne (Martin Riedl) verhießen Spaß und skurrile Komik. Regisseur Steffen Löser lässt sein Bühnenpersonal nicht getrennt in diesen parallelen Bühnenhälften agieren, sondern die zwei Wohnungen des ein Doppelleben führenden Taxifahrers John Smith (Tobias Grabowski) werden auf der kompletten Bühne von den beiden Ehefrauen Mary (Mica Bara) und Barbara (Olivia-Patrizia Kunze) sowie deren Besuchern bespielt.

    Er führt mit seinen Gattinnen zwei fein abgestimmte Tagesabläufe

    So kreuzen sich die Laufwege der sich dabei regiegesteuert ignorierenden Akteure und stiften zusätzliche Verwirrung in dem ohnehin schon irrwitzigen Geschehen. Der gewiefte Bigamist John führt mit seinen Gattinnen zwei fein abgestimmte Tagesabläufe, die das bizarre Doppelehekonstrukt scheinbar mühelos am Laufen halten. Wie fragil sein Lügengebäude in Wahrheit gebaut ist, erfährt John, als er auf einer Taxifahrt zum Streitschlichten stoppt, dadurch in eine Prügelei verwickelt wird und sich danach in einer Klinik wiederfindet.

    Irgendwann eskaliert der Wahnwitz

    Weil dann seine beiden Gattinnen bei unterschiedlichen Polizeirevieren ihre Vermisstenmeldungen aufgeben, nimmt das Desaster seinen Lauf. Die Kommissare Porterhause (Hartmut Kühn) und Trougthon (Milos Kostic) stoßen bald auf Ungereimtheiten und suchen den vermeintlich doppelten Taxifahrer an unterschiedlichen Adressen auf. Dabei steigert sich der Irrwitz immer weiter, weil sich in der Wohnung von Ehefrau Mary Johns bester Kumpel Stanley (Martin Hamann) bereitwillig in das Lügengespinnst einweben lässt. Als bei Zweitgattin Barbara auch noch der schwule Chaot Bobby (Tobias Rechtien) in das Geschehen involviert wird, eskaliert der Wahnwitz.

    Neue Lügen und Missverständnisse

    Neue Lügen und Missverständnisse lassen danach die Dialoge der Akteure mit jedem weiteren Auftritt immer absurder erscheinen. Das Publikum beförderte zudem durch seine nicht zu überhörende Begeisterung das von der Regie wunderbar orchestrierte rasante Geschehen. Von Szenenapplaus und kollektiver Spiellust angetrieben, gelang es den Darstellern dabei, ihren jeweiligen Rollen Leben einzuhauchen und Charaktere mit Erinnerungswert zu gestalten. Dies war umso bemerkenswerter, als fast jede der Rollen zeitweise bis ins Groteske getrieben wurde.

    Das Publikum stampfte mit den Füßen

    In diesem Konglomerat aus kreischenden Ehefrauen, nicht existenten Nonnen, verstörten nach einem Sinn suchenden Kommissaren, einem gleich doppelt verzweifelten Bigamisten samt zum Landwirt mutierten Kumpel und dem nicht vorhandenen Sohn wirkte dann die zwar schrille, aber sympathische Tunte Bobby geradezu wie ein Ruhepol. Apropos Ruhe. Als sich die am Stück Beteiligten am Schluss dann strahlend, aber stumm verbeugten, rastete das Publikum komplett aus und stampfte mit den Füßen, bis die Bühne bebte.

    von Lothar Krone